Montag, 23. November 2015

|Rezension| "Sisters Red" von Jackson Pearce

Sisters Red | Jackson Pearce | Little Brown Books | Englisch | Hardcover | ca. 14€ | Kaufen?
 
Scarlett March lives to hunt the Fenris--the werewolves that took her eye when she was defending her sister Rosie from a brutal attack. Armed with a razor-sharp hatchet and blood-red cloak, Scarlett is an expert at luring and slaying the wolves. She's determined to protect other young girls from a grisly death, and her raging heart will not rest until every single wolf is dead. Rosie March once felt her bond with her sister was unbreakable. Owing Scarlett her life, Rosie hunts ferociously alongside her. But even as more girls' bodies pile up in the city and the Fenris seem to be gaining power, Rosie dreams of a life beyond the wolves. She finds herself drawn to Silas, a young woodsman who is deadly with an ax and Scarlett's only friend--but does loving him mean betraying her sister and all that they've worked for?

Das Lied hat wirklich grandios zu diesem Buch gepasst!



Sobald der erste Schnee fällt, sobald der nächste Regenschauer sich ankündigt, oder es draußen stürmig ist, ist für mich Märchenzeit. Schon als kleines Kind habe ich es geliebt, im schwachen Lichtschein unter der Decke den Worten von Grimm und Co zu laschen, während draußen unruhig das Wetter meine Hintergrundmusik war. Auch noch jetzt bekomme ich Appetit auf Märchen, wenn das Regen und Schnee mich zum Lauschen einladen. Doch diesmal greife ich zu modernen Märchen, in der Hoffnung, in ihnen das Kind in mir wiederzufinden, verzaubert zu werden, und schließlich genauso viel Wärme zu spüren, wie damals.

Mit Sisters Red habe ich ein Retelling meines Fast-Lieblings-Märchens gelesen: Rotkäppchen. Rotkäppchen ist für mich einfach kindlicher Übermut, Neugierde, aber auch dunkle Wälder, gefletschte Zähne, Angst und das unruhige flüstern der Bäume. Diese Dinge haben mich als Kind begleitet, und diese Dinge habe ich auch in Sisters Red gesucht. Allerdings ist Sisters Red in vielerlei Hinsicht ein anderes Retelling, als man es so kennt. 


Es geht um die Schwestern Scarlett und Rosie, die im Kleinkindalter ihre Großmutter haben sterben sehen. Durch die Zähne eines Fenris, einer Werwolfartigen Gestalt, die den Schwestern nicht nur das zu Hause nahmen, sondern Scarlett für den Mut, ihre Schwester zu beschützen, ihr Auge und Unschuld. Nun, Jahre später, sind die beiden Jägerin, immer auf der Suche nach dem nächsten Fenris, um ihn zu töten. 

Was nach einem ziemlich stereotypen Jugendbuch klingt, entwickelt sich sehr schnell in etwas viel tieferes. Das Buch möchte keine Geschichte erzählen, in der zwei Schwestern mit einem Typen Werwölfe abschlachten, es möchte keine Geschichte erzählen, über eine unsterbliche Liebe oder heiße Werwölfe, die sich Muskelbepackt um ein Mädchen reißen. In diesem Buch geht es um zwei Schwestern, die March Schwestern, beide benannt nach Rottöne, die ihre Persönlichkeit einfangen.


Zum einen haben wir Scarlett, Scharlachrot. Scarlett ist wie der Rotton, intensiv, leidenschaftlich, wild und ungestüm. Sie ist aufbrausend und hingebend, wütend und zornig, aber dabei sehr faszinierend. Sie ist eine Kämpferin und hat einen unbrechbaren Willen. Doch Scarlett ist auch verletzt. Entstellt durch einen Wolf, gezeichnet von dem frühen Trauma in ihrer Kindheit, und getrieben von einem einzigen Gedanken: Rosie beschützen, Fenris töten. Was mir dabei an ihr gefallen hat: Scarlett ist nicht perfekt, sie ist kein Vorbild und erst Recht keine gute Seele. Scarlett ist aber hundertprozentig sie selbst. Mit all ihren Obsessionen, ihren Wahnsinn, ihrer Leidenschaft für die Jagd, ihr blinder Hass gegen die Fenris, ihr täglicher Kampf um die Unwissenden zu schützen. Und genau darin finden wir Scarletts gute Seite: Sie sieht es als ihre Aufgabe, ihr Leben darauf zu verwenden, Wölfe zu töten, da sie weiß, dass es diese gibt, und dieses Wissen die Verantwortung mit sich bringt, andere zu retten.

 
Aber dann haben wir Rosie, Zartrosa. Wie ein zarte Blume ist Rosie das Nesthäkchen. Schüchtern, demütig und immer auf der Suche, sich zu beweisen. Unschuldig, unsicher, herrlich jugendlich und freundlich. Rosie ist diejenige, die sich Scarlett verschrieben fühlt, als ihre Schwester, als diejenige, für die Scarlett ihr Leben riskiert hat. Sie ist eine Jägerin aus Schuld, nicht aus Überzeugung, und jagt, um ihrer Schwester für ihr Leben zu danken. Doch eigentlich möchte Rosie viel mehr. Sie möchte reisen, und die Welt erkunden, sie verlieben, Origami lernen, oder einfach nur für einen Tag normal sein. Doch darf man sein Leben selbstsüchtig leben, wenn man mit seinem Talent und Wissen unzählige unschuldige retten könnte?


Durch unsere so unterschiedlichen Protagonistinnen haben wir einen großartigen Konflikt, der das ganze Buch über für viele Auseinandersetzungen führt, und der am Ende nicht mit einem moralischen Apell gelöst wird. Das Buch lässt die beiden Schwester auf ihrer Reise zu sich selbst und zueinander durch viele Stolperfallen laufen, sich im Kreis bewegen und aneinander vorbei rennen, nur um Ende zu zeigen, dass es keine eindeutige Lösung gibt. Dass jeder Mensch für sich selbst entscheiden muss, wofür er Verantwortung übernehmen will und wie er sein Leben leben will.
 
Und trotz diesen komplexen und wunderbar aufbereiteten Konflikt kommt die Story nicht zu kurz. Wir haben unglaublich viele Kampfszenen im Buch, praktisch die ganze Zeit passiert etwas, taucht etwas aus, muss entschlüsselt werden. Und dabei kommt man manchmal so vom Geschehen ab, dass sogar für mich der eigentlich so offensichtliche Plottwist ziemlich überraschend kam. 


Trotzdem hat das Buch auch seine negativen Aspekte, kleine Unstimmigkeiten, die mich etwas traurig gemacht haben. Sei es Insta-Love oder unnötige Szene, die einfach nur die Harmonie des Buches eine Dissonanz versetzt haben. Die mir einfach zu langweilige, zu übertreiben, zu sehr aus der Story gerissen waren, und ohne die das Buch sicher ein Highlight gewesen wäre.

Sister Reds ist so unterschiedlich und facettenreich wie die Rottöne im Farbkreis. Wir haben viel Scharlachrot – blutige Kämpfe, erregte Konversationen, intensive, leidenschaftliche Schilderungen, außerdem hier und da etwas dunkelrot, ruhigere, melancholisch, manchmal schon fast philosophische Szene, und zartrosa Momente, die die Zärtlichkeit des Momentes und das tiefe Band zweier Schwester, die sich ein Herz teilen, einfängt. Das Buch ist kein Buch über Wölfe, rote Mäntel und tiefe Wälder. Es ist ein Buch über zwei Schwestern, die unterschiedlicher und gleicher nicht sein könnten. Es ist ein Buch über die Frage, welche Verantwortungen man im Leben für sich und andere hat, um Schuld und Einsamkeit, Wissen und Willensstärke, Familie und zwei Seelen, die nicht nur zueinander, sondern auch zu sich selbst finden müssen. Wer also über Insta-Love und einige Unstimmigkeiten hinwegsehen kann, wird mit Sisters Red zwei wunderbare Charaktere und einen Konflikt, der zum Nachdenken veranlasst, kennenlernen. Ich vergebe 4 Sterne.
 

1 Kommentar:

  1. Huhu liebe Kücki,

    ich bin immer wieder beeindruckt, was für passende Worte du einfach findest.
    Die Rezension ist einfach in allem wunderschön geschrieben, wie alles ineinander übergreift und wie du am Ende die Rottöne nochmal aufgreifst. Wirklich toll :)♥︎

    Und auf das Buch hast du mich auch sehr gespannt gemacht. Ich bin ein ziemlicher Fan von solchen Neuerzählungen, vorallem die Luna Chronike haben es mir angetan.

    Liebste Grüße
    Hannah

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