#PrayforParis. #PrayforPeace. Seit letztem Freitag zeigen
tausende Menschen von überall her über Hashtags und Tweets Mitgefühl, ändern
ihr Profilbild auf Facebook und jeder schreibt irgendwelche Artikel über seine
oder ihre Meinung. Ich weiß, es ist ein vieldiskutiertes Thema, ihr könnt es
wahrscheinlich nicht mehr hören, aber auch ich möchte meine Meinung nicht zu
Paris, aber zu einigen Sachen abgeben, die mich in den letzten Tagen so
beschäftigen. Ich möchte sagen, dass ich hierbei völlig subjektiv bin, meine
Meinung ist nicht die richtige oder falsche, genauso wahr und falsch wie jede
andere und vor allem: Nicht zu ernst zu nehmen und nicht über zu bewerten. Ich
möchte dass nur mal alles irgendwie loswerden.
Ich habe Freitag nicht das Fußballspiel geschaut. Ich hatte
das Glück an diesem Tag sicher in meinem Bett zu liegen und Winter zu lesen.
Ich hatte das Glück, mit warmen Tee und Keksen in Decken gehüllt nichts
mitzubekommen von Angst und Schüssen. Bis ich zu Bett gehen wollte, noch ein
letztes Mal in die Social Media gesehen habe…und nicht wirklich glauben konnte,
was da passiert. Menschen posteten Bildern von Eifeltürmen in Peacezeichen,
boten ihre Türen Menschen an, die nicht wussten wo sie hin sollten, und im
Sekundentakt brachte die tagesschau neue Nachrichten. Menschen seien in Paris
gestorben, erschossen worden, durch Menschen, die sich selbst gesprengt haben,
umgekommen. Und immer wieder kam da diese Zahl, stetig höher werden, die mir
sagen wollte: So viele Leben wurden gerade beendet, so viele Familien wurden
gerade verletzt, so viele Freunde haben ihren Freund verloren, so viele Eltern
ihre Kinder. Eine Zahl, die weder greifbar, noch realistisch für mich war, und doch
so grausam auf dem Bildschirm stand. Und auch ich empfand Mitgefühl, für diese
Menschen, und besonders für diese Welt.
Mittlerweile empfinde ich nicht mehr nur Mitgefühl, weil wir
in einer Welt leben, in der so etwas wie in Paris passieren konnte. Ich spüre
Verzweiflung. Verzweiflung, in einer Welt zu leben, in der ich zwar traurig und
mitfühlend war, aber in der ich nicht geschockt war über eine derartige
Nachricht. Verzweiflung in einer Welt zu leben, in der zahllose Nationen über
Paris trauern, Schweigeminuten halten und Solidarität zeigen…aber die es
wortlos dudelt, dass jeden Tag in anderen Nationen sich selbiges ereignet, ohne
es zu bemerken. Niemand hat mir erzählt, dass in Bagdad eine Bombe hochgegangen
ist. Niemand hält eine Schweigeminute für Mädchen, die von den Taliban
erschossen werden. Niemand ändert sein Bild auf die japanische Flagge, weil es
dort ein Erdbeben gab. Niemand lässt das Brandenburgertor in den Farben der
syrischen Flagge erscheinen, weil sie zeigen wollen: Wir wissen, dass bei euch
Krieg ist, aber wir denken an euch, wir sind für euch da, wir helfen euch.
Gemeinsam sind wir stark. Warum hört Mitgefühl bei Entfernung auf? Das ist
etwas, was mich beschäftigt. Das derartige Ereignisse in der östlichen Welt
gedudelt, passieren sie hier, betrauert werden. Das Ereignisse wie diese in der
östlichen Welt in der Zeitung überlesen werden und in Nachrichten schnell
abgehandelt, Paris aber seit Tagen in den Nachrichten ist ohne, dass etwas
anderes noch darin Platz findet.
Ich weiß, der Wert einer Nachricht setzt sich immer aus
örtliche Nähe und persönlicher Bezug zusammen, und vielleicht können wir alle
viel mehr mit den Eifelturm und Paris als mit Damaskus verbinden. Das macht es
meiner Meinung nach aber nicht weniger wert. Aber das ist es auch gar nicht,
worüber ich reden möchte, oder was ich sagen will. Ich will nicht darüber
reden, dass ich tiefes Mitgefühl empfinden, dass mich aber einige Sachen
durchaus aufregen. Ich möchte nicht die deutschen Nachrichten oder Journalisten
mit dem moralischen Zeigefinger das Auge ausstechen, letzten endlich kann man
sowieso nichts ändern, solange ein jeder Nachrichtendienst auch ein Unternehmen
ist, dass auf Angebot und Nachfrage achten muss. Ich möchte auch nicht andere
Menschen anklagen, etwas zu tun oder etwas zu sagen oder zu denken, auf keinen
Fall. Heute möchte ich was machen, was ich viel zu selten mache. Ich möchte bei
mir anfangen.
Wie viel interessiere ich mich für die Welt? Wie viel möchte
ich dafür tun, um einen Fußabdruck zu hinterlassen? Was mache ich, damit diese
Welt ein kleines bisschen besser wird? Denn momentan frage ich mich, wie ich
jeden Morgen in so einer Welt aufwachen kann, zur Schule gehen kann, lachen und
mich über Belanglosigkeiten ärgern kann, und dann trotzdem abends mit gutem
Gewissen ins Bett zu gehen. Ich informiere mich nicht darüber, wie es den
Menschen in Syrien geht, ich denke nicht darüber nach, was ich gegen den
Terrorismus tun kann und danke keinem dafür, dass ich im Gegensatz zu anderen
Mädchen das Privileg besitze, zur Schule zu gehen. Und ich frage mich, ob es
eigentlich das ist, was man von mir erwartet, was ICH von mir erwarte.
Ich würde gerne einen Masterplan für die Welt haben,
wünschte, ich wüsste, wo ich anfangen soll, mit wem ich reden soll. Ich würde gerne
mich mehr für die Dinge interessieren, die Krieg auslösen, würde gerne so vieles
verstehen und etwas daran ändern können. Würde gerne all den Leuten zeigen,
dass Flüchtlinge auch nur Menschen sind, dass Muslime und Araber und
wasweißcihfürMenschenausdemnahenosten NICHT das Gesicht von Terrorismus sind.
Ich würde so gerne so vieles bewegen, Moralvorträge halten und die Welt davon
zu überzeugen, die Welt wie ein Kind zu betrachten, dass einfach mal
vorschlägt: Was ist, wenn Krieg ist und niemand geht hin?
Seit Tagen befinde ich mich schon in dieser Stimmung. Die
mir sagt, dass ich traurig sein muss, weil die Menschen es sind. Die mir sagt,
dass ich verzweifelt und verletzt sein soll, weil die Welt es ist. Die mir sagt
dass ich mich über nichts beschweren darf, weil es mir gut geht. Meine Probleme
sind nichts gegen die anderer Menschen, alleine schon die Tatsache, dass ich
genug zu essen habe, ein Dach über den Kopf und zur Schule gehen kann, machen
mich doch eigentlich schon zu einem König. Und trotzdem habe ich Probleme,
weine und bin traurig, bin verzweifelt über Dinge, die andere nicht bedenken
können, ärgere mich über Tests und Lehrer, wenn andere Mädchen für das Recht
auf Bildung sterben, und klage über Politiker und niedrige Wahlbeteiligung,
wenn doch andere in Diktaturen geben.
Aber wisst ihr, was ich jetzt beschlossen habe? Das ist
okay.
Es ist okay, traurig zu sein, und verzweifelt, und getroffen. Es ist
okay, sich über Dinge zu ärgern, die DICH bewegen, auch wenn es dir eigentlich
gut gehen sollte. Unsere Probleme sind nicht weniger wichtig als die anderer
Menschen. Sie sind nur anders, vielleicht leichter zu lösen oder vielleicht
auch nicht. Es ist okay, zu Lachen und Spaß zu haben, während in anderen
Ländern Menschen das Lachen schon längst verlernt haben. Denn es macht sie
nicht weniger unglücklich, wenn wir weinen. Denn wisst ihr, warum das alles in
Ordnung ist? Weil die Welt keinen Menschen braucht, die in Selbstmitleid oder
Mitleid um die Welt verkümmern, die jeden Tag trauriger und verzweifelter
werden weil sie nicht wissen, was sie gegen all diesen Kummer und Schmerz tun
sollen. Was die Welt aber vielleicht
aber braucht, sind Menschen, die leben. Die Lachen und Fehler machen und ihre
ganz eigenen Sorgen und Probleme haben. Die das tun, was ihnen Spaß macht, die
das studieren, was sie mögen und die irgendwann erwachsen sind und merken, dass
das, was ihnen Spaß macht, ihnen dabei helfen kann, anderen zu helfen.
Ihr wollt wissen, wo ihr anfangen sollt? Lebt. Ihr wollt
anderen Menschen helfen? Lebt. Ihr wollte zeigen, wie sehr ihr mit anderen
Menschen mitfühlt, wie sehr ihr mit ihnen weint und blutet? Lebt. Denn egal, ob
wir über Krieg reden, Unterdrückung, Terrorismus oder sonst ein Problem, dass
so viele Menschen jeden Tag in Kummer und Verzweiflung stürzt. Auf all diese
Dinge gibt es nur eine Antwort: Leben. Denn wenn wir aufhören zu Leben, zu
Lachen und weiterzumachen, dann, so klischeehaft es klingt, können wir uns wir
uns gleich geschlagen geben.
Ich weiß, vielen von euch geht es auch so wie mir: Ich
möchte etwas tun, etwas verändern, aber wo soll ich beginnen? Alleine kann ich eh
nichts schaffen, aber wen sprech ich an, damit wir zusammen was erreichen
können? Vielleicht müssen wir noch nicht gleich darüber nachdenken, die Welt zu
retten, die Menschheit besser zu machen,…sondern vielleicht reicht es, wenn wir
heute bei uns selbst anfangen. Wenn wir das machen, worin wir gut sind, und was
uns Freude macht, in der Hoffnung, dass dies eines Tages die Welt besser machen
wird. Denn wie sagte auch schon Harold Whiteman:
„ Frage dich nicht, was die Welt
braucht. Frage dich, was dich lebendig werden lässt und dann geh los und tu
das. Was die Welt nämlich braucht, sind Menschen, die lebendig geworden sind.“
Was sind eure Gedanken? Zu Frieden, Paris, unserer Welt, Leben, Tod...oder einfach nur zu irgendwas, was euch in Gedanken rumgeistert?
Hey!
AntwortenLöschenMit fast all deinen Worten hast du mir aus der Seele gesprochen und dieser Text hat mich sehr berührt!! Es ist wahr, was du schreibst und es ist eine wundervolle Botschaft. Die Menschen hier neben uns, sind nicht weniger oder mehr wert, als die am anderen Ende der Welt. Ich meine wir überlegen uns den ganzen Tag, wie wir den Menschen in Syrien helfen können, wobei wir das (vielleicht noch) nicht können. Dabei müsste man doch nur die Augen aufmachen und die ganzen traurigen Menschen sehen, die sich in ihrem Job verloren haben, mit Selbstmordgedanken spielen oder auch einfach nur traurig und verzweifelt sind. Wie wäre es, wenn wir einfach mal beginnen würden, diesen Menschen zu helfen, anstatt gleich die Welt auf den Kopf stellen zu wollen?
Viele liebe Grüße, Ambria <3<3<3<3