Samstag, 24. September 2016

|Etwas andere Rezension + Gedankenkarusell| "Lies we tell ourselves" von Robin Talley

Lies we tell ourselves | Robin Talley | Harlequin Teen | Englisch | eBook | ca. 1€ | Kaufen?
  
In 1959 Virginia, the lives of two girls on opposite sides of the battle for civil rights will be changed forever.

Sarah Dunbar is one of the first black students to attend the previously all-white Jefferson High School. An honors student at her old school, she is put into remedial classes, spit on and tormented daily.

Linda Hairston is the daughter of one of the town's most vocal opponents of school integration. She has been taught all her life that the races should be kept separate but equal.

Forced to work together on a school project, Sarah and Linda must confront harsh truths about race, power and how they really feel about one another.

 
Ein sehr kurzes, aber unglaublich hoffnungsvolles Stück, das sich in mein Herz gegraben hat...

 
Neulich fragt mich mein kleiner Bruder, wie viele Menschen wir auf der Erde sind, und ich antwortete ihn mit einer Zahl, die man sich kaum vorstellen kann. 7 Milliarden Menschen sind wir mittlerweile, auf diesem wunderschönen Planet. 7 Milliarden schlagende Herzen, 7 Milliarden atmende, fühlende, einzigartige Menschen. Wir alle haben Blut in unseren Adern und mehr Synapsen im Gehirn als Sterne in unserem Sonnensystem. Trotzdem können wir so unterschiedlich sein. Der eine lacht gerne, der andere ist still, während der eine morgens Speck grillt, schlürft der andere nur seinen Kaffee, wir sprechen Englisch und Italienisch und tausend andere Sprachen, wir sind klein und groß und dick und dünn und weiblich und männlich und alles, was dazwischen liegt. Wir sind aus Asien oder europäisch, sind Amerikaner oder leben in Down Under, haben lateinamerikanisches Blut in unseren Adern oder in unserem Herzen schlagen afrikanische Wurzeln, manchmal vielleicht auch ein bisschen von allem. Aber wie sehr trennt uns dieser kleine Unterschied wirklich? Bin ich wirklich so anders, als du, nur, weil ich Deutschland meine Heimat nenne? Bin ich wirklich so anders als du, weil meine Haut eher wie Tafelkreide als wie Schokolade aussieht? 
Rassismus ist ein Problem in unserer Gesellschaft, schon immer gewesen und leider immer noch, gerade aktuell wie nie. Mit mindestens so vielen Gesichter, wie es Menschen gibt, aber alle sind hässlich. Ob wir alle dunkelhäutigen Menschen als Urwaldbewohner bezeichnen oder „einfach“ nur unsere Witze reißen über die asiatischen Touristen, die schon wieder Fotos schießen und in ihrer komischen Sprache reden. Rassismus lässt uns glauben, es gäbe eine Norm, eine Sache, die so, wie sie ist, gut ist. Im Idealfall sind das wir selbst. Meistens weiß und groß und wer gerne noch klischeehafter werden möchte, der kann gerne noch blauäugig und blond ersetzen. Und jeder, der nicht so ist, ist anders, und damit schlecht. Wer nicht die Norm erfüllt, ist nicht wie ich, ist etwas anders, ich habe Angst davor, also mach ich es kaputt. 

Das zeigt sich, wenn wir schon wieder von afroamerikanischen jungen Menschen hören, die erschossen wurden. Weil sie CDs verkauft haben. Wenn muslimische Mädchen vor S-Bahnen geschubst werden. Weil sie ein Kopftuch tragen. Wenn ein Arbeitgeber zwischen zwei Bewerben den ohne Migrationshintergrund auswählt. Rassismus ist so nahe und so real wie noch nie, in allen seinen Formen. Und das macht mich traurig. Das macht mich wütend. Und ich schäme mich.


Neulich habe ich ein Buch gelesen, Lies we tell ourselves by Robin Talley. Eine Geschichte über die siebzehnjährige Sarah, die als eine von insgesamt 10 dunkelhäutigen Teenagern zum ersten Mal eine Schule besucht, die ursprünglich nur für weiße Schüler gedacht war. Eine Geschichte, die in den 60er Jahren in den USA spielt, als im Süden der Staaten Integrationsbeschlüsse gefasst wurden und Rassismus eine neue Welle  bekam. Wenn man dieses Buch liest, sollte man schockiert sein, denn es ist unmenschlich, was den 10 afroamerikanischen Jugendlichen in diesem Buch angetan wird. Wie sich Rassismus in all seinen Formen gegen sie wendet, sei es physisch oder verbal. Sei es die Tatsache, dass unsere Protagonistin täglich beschimpft und gegrabscht wird, bespuckt und getreten wird, Urin auf ihren Stuhl findet und noch viele andere Dinge ertragen muss, nur, weil sie auf eine Schule geht, die für „Weiße reserviert“ ist. Ich denke, wenn man diese Geschichte liest, sollte man geschockt sein, sich fragen, ob es wohl damals wirklich derart grausam war. Aber die traurige Antwort ist, dass man, während man das Buch liest, nur über eine Tatsache geschockt ist: Das wir in über 50 Jahren nichts gelernt haben. Das wir immer noch Menschen verbal und körperlich verletzen, nur, weil sie anders aussehen, nur, weil ihre Haut dunkler ist als unsere. Oder weil ihr Gott einen anderen Namen hat. Oder weil sie eine andere Sprache sprechen. Oder einfach nur, weil sie ein bisschen anders sind, als wir. Weil sie sie sind, und wir wir. 

Und das ist traurig und schockierend, und sollte nicht sein. Wir sollten nicht in einer Welt leben, in der es schon fast zum Alltag gehört, über Tode afroamerikanischer Bevölkerung zu lesen, über Kampagnen gegen Muslime zu stolper oder über den berühmten Satz „Ich bin ja kein Rassist, ABER…“. Ich habe es so satt, dass ich schreien könnte. Und ich weiß nicht, was man dagegen tun soll. Denn ich weiß, dass in jedem von uns ein kleiner Rassist steckt, sei es nur, weil wir an Stereotype glauben oder nie aus unserem eigenen Land rausgekommen sind beziehungsweise mit anderen Kulturen Kontakt hatten. Deswegen bitte, bitte geht raus, auf reisen, auf Jugendbegegnungen, und lernt die Menschen da draußen kennen. Ihr werdet sie vielleicht nicht alle mögen, aber ihr werdet sehen, dass in ihrer Brust ein Herz schlägt, genau wie in eurer, dass ihr alle in der selben Sprache lächelt und dieselbe Wärme spürt, wenn ihr einander die Hand gebt. Ich weiß, dass ist ein großer Wunsch, an dem man vielleicht sein ganzes Leben arbeiten muss. Aber es ist ein guter Wunsch. 


Und vielleicht geht es euch auch wie mir, und ihr wollt mehr über das Thema lesen, es diskutieren, es in all seinen Formen erleben. Deswegen möchte ich in diesem Text auch über das Buch reden, welches mich zu diesem Text inspiriert hat. Nämlich, wie oben schon erwähnt, Lies we tell ourselves. Was ich an diesem Buch so unglaublich wichtig und inspirierend finde, ist die Tatsache, dass es aus zwei Perspektiven erzählt, aus der Sicht eines „weißen“ Mädchens und eines „schwarzen“ Mädchens, Linda und Sarah, beide im Abschlussjahr und nun auch auf derselben Schule, beides Mädchen mit Zukunftsplänen und Träumen, mit der Absicht, endlich aus dieser Stadt zu verschwinden. Und trotzdem so unterschiedlich. Und was ich daran so mochte, war, dass Talley es geschafft hat, von Rassismus zu erzählen, ohne a) nur eine Form darzustellen, die den „Weißen“ schmeckt oder b) alle Menschen über einen Kamm zu scheren. Sie hat es geschafft, Rassismus lebendig werden zu lassen, auf den Seiten, hat ihn eingefangen und konserviert und in ihre Geschichte gesponnen, mit all seinen Tücken und Tricks. Sie hat es geschafft, mich zu schocken, mich zum Weinen zu bringen, mich wütend werden zu lassen. 


Aber vor allem hat sie es geschafft, ein geniales Buch zu schreiben, dass sich tief unter die Haut gräbt, aktuell wie nie ist, und einen lange nicht loslässt. Ein Buch mit starken Figuren, und einer noch stärkeren Botschaft, vielen kleinen, wichtigen Aspekten, die den Leser mitnehmen und zum nachdenken anregen, viele interessante und vor allem kritische Punkte zum Thema Rassismus, Sexismus, Homophobie, Religion und Unabhängigkeit. Das alles hat mich tief bewegt und beeindruckt, aber vor allem auch darin bestärkt, dass Rassismus zwar in unserer Gesellschaft existiert und wir es wohl nie schaffen werden, ihn alleine zu bekämpfen, aber das man für sich selbst viel lernen kann, indem man offen durch die Welt geht, sich belehren lässt, an seinen Dingen festhält, lernt, mit lächeln zu kommunizieren und durch die äußere Erscheinung durchzuschauen. Indem man seine Hand reicht, und mit Verständnis und einem offenen Verstand durch die Welt schaut, und darauf vertraut, dass die Entscheidungen, die man selbst fällt, die richtigen sind.

In dem Sinne: Egal wer ihr seid, egal welche Hautfarbe oder Sprache oder Lieblingseissorte ihr habt, ich kann euch dieses Buch nur ans Herz legen. Denn Rassismus ist aktuell wie nie. Und das muss uns bewusst sein. Denn vielleicht werden wir dann irgendwann in einer Welt aufwachen, in der alle Menschen als das gesehen werden, was wir alle sind: Komplett und unwiderruflich menschlich.
 

 

Ich hoffe, ich habe es geschafft, dieses wichtige, aber sehr sensible Thema einigermaßen in Ordnung umzusetzen, falls ich Ausdrücke benutzt habe, die nicht angemessen sind oder bei denen sich jemand angegeriffen fühlt, bitte schreibt mir, ich freue mich über Rückmeldungen, Feedback und auch Kritik. Danke.  

3 Kommentare:

  1. Hallo Kücki,
    ein wundervoller Beitrag, du schreibst so bewegend und schön und machst diese sensiblen Theman noch eindrücklicher. Und du rufst mir in Erinnerung, dass ich mehr solcher authentischen, ernsten Bücher, die wichtige Themen und Probleme deutlich machen, lesen will, denn dort lernt und verarbeitet man wirklich Bedeutendes.

    Wie auch immer, wunderbarer Post!♥

    Liebe Grüße und ein erholsames Wochenende,
    Noemi

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  2. Ach Kücki, ganz viel Liebe für diesen Beitrag. Ich bin grad sehr froh, das Buch auf dem Kindle zu haben und werde sehr bald danach greifen. <3

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  3. Wow, das hört sich wirklich nach einem tollen Buch an! Ich finde es auch unglaublich wichtig, Themen wie Rassismus nicht zu tabuisieren und zu behandeln, leider gibt es viel zu wenig Bücher, die das auch ordentlich hinkriegen.
    Von diesem hier hatte ich noch gar nichts gehört, aber es wandert jetzt auf jeden Fall auf meine Wunschliste. Danke für deinen ausführlichen Post! :)
    Liebe Grüße,
    Hannah

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