Sonntag, 14. Februar 2016

|Etwas andere Rezension| "Salt to the Sea" von Ruta Sepetys

Salt to the Sea | Ruta Sepetys | Philomel Books | Englisch | Hardcover | ca. 14€ | Kaufen?
  
Winter, 1945. Four teenagers. Four secrets.

Each one born of a different homeland; each one hunted, and haunted, by tragedy, lies…and war.

As thousands of desperate refugees flock to the coast in the midst of a Soviet advance, four paths converge, vying for passage aboard the Wilhelm Gustloff, a ship that promises safety and freedom.

Yet not all promises can be kept.

 
Ich habe zu diesem Buch viele Lieder gehört, zum Beispiel auch Unstoppable von Sia, aber im Endeffekt braucht ich einfach ein schönes Klavierstück, der den poetischen Charakter von Sepetys Worten unterstreicht..

 
Der Zweite Weltkrieg ist eine Zeit, die die wenigstens von uns erlebt haben, aber die wir alle irgendwie fühlen können. Wunden, die nicht verheilt sind, Ruinen, die nie wieder aufgebaut werden können, Geschichten, deren schlimmes Ende man nicht mehr umschreiben kann. Wir alle sind groß geworden mit Geschichten aus dieser Zeit, von dem Opa, der aus Polen geflüchtet ist oder der Oma, die sich noch genau daran erinnert, wie Hitler seine erste Rede hielt*. Mit Geschichten aus Filmen und Büchern, die von Konzentrationslagern und Flüchtlingen und Ghettos erzählen, von Bücherdiebinnen und dem Tod, der wohl am besten weiß, was damals passiert ist. Es sind Geschichten, die das, was damals geschehen ist, nicht besser machen, nicht rechtfertigen können, und auch nicht den Schmerz nehmen können, die Wunden, die diese Zeit hinterlassen hat. Aber es sind Geschichten, die uns helfen, unseren eigenen Weg zu finden, mit dem Geschehenen umzugehen, die Denkmäler setzen für Menschen, die wir nie kennenlernen durften und wichtige Botschaften hinterlassen, um das eigene Leben an Wert zu nähren. Deswegen lese ich Romane, die von kalten Wintern, Unmenschlichkeit und braunen Hemden erzählen, von Büchern, die uns in eine Zeit entführen, und von denen wir uns wünschen, dass im Anhang nicht stehen würde „nach einer wahren Geschichte“. 


Viel zu selten aber erzählen Autoren von anderen Ländern, als denen, die wohl am offensichtlichsten Beteiligt waren. Wir kennen Geschichten von Mädchen, die den Krieg in Deutschland erleben mussten, und mit Büchern irgendwie überlebt haben, von Hitlers Nichte, die sich in eine Juden verliebte, von Liebenden in Leningrad und Menschen auf der Flucht aus Deutschland. Diese Geschichten sind wichtig, sie alle tragen dazu bei, dieses große grausame Etwas besser zu verstehen. Aber manchmal vergessen wir die kleinen, unscheinbaren Länder, die verschwiegenen Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.


In diesem Buch also schreibt Ruta Sepetys über 4 junge Menschen, die alle Zeugen einer der größten maritimen Katastrophe wurden, und die alle mit ihren eigenen Geschichten, ihren eigenen Schicksalen, uns bewegen. Alles 4 von ihnen haben Geheimnisse, alle 4 von ihnen beeinflussen durch ihre Handlung den Verlauf der Geschichte. 


Dies wird keine Rezension werden, in welcher ich über die Storyline rede, oder über Spannungsbögen und Plottwist. Dies ist eine Rezension, in der ich schreibe werde, warum dieses Buch mich dazu gebracht hat, nachzudenken, zu weinen, zu lachen, und von innen gewärmt zu werden. 


Ruta Sepetys ist eine ganz besondere Autorin, die es schafft mit ihren Worten Bilder zu zaubern. Sie ist eine Wortkünstlerin, deren Sätze wie Kunst geformt Schleifen schlagen, poetisch sich erheben, und trotzdem irgendwo auf dem Boden bleiben, und so greifbar werden. Ruta Sepetys schreibt Geschichten, die dir den Boden unter den Füßen wegziehen, nur, damit du am Boden wieder aufgefangen werden kannst. Die dich an der Menschlichkeit zweifeln lassen, bis du merkst, dass genau sie es ist, die dich die ganze Zeit begleitet hat. Die dich frieren und zittern lässt, nur um dir dann zu zeigen, dass da warme Feuer in dir drin ist, und du von innen heraus gewärmt wirst.
Sie ist eine Autorin, die Geschichte lebendig werden lässt, aber nicht nur die Geschichte, die wir kennen, die wir in Lehrbücher und Dokumentation nachschlagen können, sondern Geschichten, die verschluckt worden sind von der Vielzahl an Katastrophen des Krieges, verschwunden in den Fluten der Grausamkeit, verdrängt im Herzen der Überlebenden und verstummt im Herzen derer, die der Krieg gefordert hat. Mit Salt tot he Sea aber erzählt Sepetys eine Geschichte, von der die wenigsten Menschen wissen, die aber die meisten unglaublich berühren wird. Sie erzählt von einer der größten Katastrophen des Krieges, von Tod und Unmenschlichkeit und Grausamkeiten.


Aber sie erzählt vor allem auch von Hoffnung, Hoffnung seine Familie wiederzufinden. Hoffnung, Licht zu sehen durch die dunkle Nacht. Sie erzählt von zu Hause, und wie wichtig es wirklich ist, und wie sehr wir es schätzen sollten. Wie wichtig es ist, eine Heimat zu haben, glückliche Erinnerungen, einen Ort der Geborgenheit. Sie erzählt von jungen Mädchen, die das schrecklichste erlebt haben, die es aber geschafft haben, weiterzumachen. Von einer kleinen Kämpferin, die nicht nur für sich alleine kämpft. Sie erzählt von Menschen, die betrogen wurden, und einsehen müssen, dass es manchmal die Menschen sind, die wir am meisten bewundern, die uns verraten. Und das wir diejenigen sind, die dann entscheiden müssen, welche Art von betrogener Mensch wir sein wollen. Sie erzählt von Schuh Poeten, liebevolle Großväter, die in Schuhen die Reise sehen, von der sie Zeugen waren. Von wandernden Jungen mit geheimnisvollen Adressen, von einem Mädchen, dass sich an allem die Schuld gibt, aber in Wirklichkeit Menschlichkeit und Leben versprüht. Sie erzählt von einer Gruppe Menschen, die aus verschiedensten Ländern kommen –Polen, Litauen, Ostpreußen- und die trotzdem zusammenhalten in dem Schrecken des Krieges. 


Insgesamt erzählt sie aber eine Geschichte, die mich immer wieder aufs neue geschockt hat. Eine Geschichte, die schonungslos von Geschichten erzählt, die still und heimlich vergessen wurden, die Dinge erwähnt, die wir vergessen wollten, an die es aber wichtig ist, sich zu erinnern. Sie erzählt eine Geschichte von tiefer Trauer, die mich zum Weinen gebracht hat, mich tief bewegt hat. Von grausamen Geschichten, die nicht vergessen werden dürfen. Aber sie erzählt vor allem auch eine Geschichte, die einem Hoffnung schenkt, Hoffnung auf Liebe, Licht, oder einfach eine freundliche Seele, die einem auf seinen Weg begegnet. Denn der Krieg ist nicht etwas, dass uns nur Tod und Unmenschlichkeit lehren kann. Sondern vor allem auch den Wert des Lebens und der Menschlichkeit. Oder, wie es Ruta Sepetys wunderschön formuliert hat: Every nation has hidden history, countless stories preserved only by those who experienced them. Stories of war are often read and discussed worldwide by readers whose nations stood on opposite sides during battle. History divided us, but through reading we can be united in story, study, and remembrance. Books join us together as a global reading community, but more important, a global human community striving to learn from the past. 


Danke für diese Geschichte, ich vergebe 5 Sterne.

 


*das sind nur Beispiele, meine eigenen Großeltern haben den Krieg nicht miterlebt.
 

4 Kommentare:

  1. Oha Kücki! Treib mir doch keine Tränen in die Augen! Was für eine wundervolle Etwas-andere-Rezension, du hast so berührende Worte gefunden. Und so schöne Zitate! Die Musik musste ich ausschalten, ich will ja an diesem fröhlichen Tag heute nicht weinen. :D Ich finde es großartig, dass du immer noch ein passendes Musikstück auswählst, das ist so unglaublich interessant zu erfahren, was du mit dem Buch verbindest und Musik kann das so gut ausdrücken.

    Liebe Grüße & einen glücklichen Sonntag,
    Noemi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hey Noemi, vielen vielen Dank für deine lieben Worte <3 Das war die erste Rezension dieser Art und ich hatte ein bisschen Angst, dass sie unpassend oder was auch immer sein könnte, aber deine Worte haben mich gerade total glücklich gemacht, vielen lieben Dank :) ♥
      Ich finde auch, dass Musik einfach so viele Dinge unstreicht, dass sie viele Sachen noch besser ausdrücken kann. Deswegen muss ich ein Buch einfach immer mit Musik untermalen :)

      Liebe Grüße
      Kücki ♥

      Löschen
  2. Sehr sehr tolle Rezension <3 und von den Zitaten habe ich Gänsehaut bekommen!

    AntwortenLöschen
  3. Ich muss ehrlich zugeben, ich lese eher selten Bücher über eine so weit zurückliegende Zeit und insbesondere über die Kriege - weil sie eben, so berührend und ehrlich sie vielleicht auch sein mögen, oft doch die gleiche Geschichte erzählen, die grade wir Deutschen ja nun zur Genüge kennen (auch wenn man sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten muss).
    Aber gerade deswegen finde ich es wunderbar, dass ich auf deine Rezension zu diesem Werk gestoßen bin, das einmal aus einer etwas anderen Sicht erzählt. Die Geschichte hat mich so schon interessiert, aber deine wunderschöne Rezension hat mich nun richtig dazu animiert, das Buch unbedingt lesen zu wollen. Eines, das einen so rühren, so berühren kann, gibt es ja auch nicht alle Tage, daher scheint dieses ein ganz Besonderes zu sein.

    Vielen Dank für diesen wunderschönen Tipp!

    AntwortenLöschen