Mittwoch, 25. Mai 2016

|Rezension| "Bird Box" von Josh Malerman

Bird Box | Josh Malerman | Harper Voyager | Englisch | Paperback | ca. 10€ | Kaufen?
  
Something is out there, something terrifying that must not be seen. One glimpse of it, and a person is driven to deadly violence. No one knows what it is or where it came from.

Five years after it began, a handful of scattered survivors remains, including Malorie and her two young children. Living in an abandoned house near the river, she has dreamed of fleeing to a place where they might be safe. Now that the boy and girl are four, it's time to go, but the journey ahead will be terrifying: twenty miles downriver in a rowboat--blindfolded--with nothing to rely on but her wits and the children’s trained ears. One wrong choice and they will die. Something is following them all the while, but is it man, animal, or monster?

 
 Nirvana ist echt eine geniale Band, und dieser ... ja dunkle Stimmung hat einfach sehr sehr gut zu dem Buch gepasst, wobei ich nach belieben sicher auch einfach den Soundtrack eines Horrorfilms hätte nehmen können :D

 
Ich erinnere mich noch gut daran, als meine Freundinnen mich das erste Mal gezwungen haben, einen Horrorfilm zu schauen (Beziehungsweise eine Freundin von mir). Es war diese seltsame Mischung aus permanenter Horror, Faszination, Langeweile und Oberflächlichkeit, seltsamen Erklärungen, die aber eigentlich egal waren, weil die Effekt ziemlich gut inszeniert waren und die kleine Kücki sich danach nicht alleine auf’s Klo getraut hat. In dem Sinne vielleicht nicht komplett logisch, aber wirkungsvoll und für kurze Zeit sogar sehr Unterhaltend. Auch, wenn es mir einerseits wehtut, fasst dies ziemlich gut zusammen, wie ich zu Bird Box stehe. Einem apokalyptischen Thriller, der mir anfangs sehr sehr gut gefallen hat, aber im Endeffekt nicht mehr war als eine kleine Enttäuschung.

In dem Buch geht es um eine futuristische Welt, in der beinahe die gesamte Menschheit ausgerottet wurde, von einer Plage, die niemand so richtig beschreiben kann. Es sind „Kreaturen“, Dinge, die, wenn du sie siehst, dich verrückt werden lassen, dich dazu bringen, die selbst und alle anderen Menschen um dich herum töten zu wollen. Und in dieser Welt lebt Malorie mit ihren beiden vierjährigen Kindern, und hat nur ein Ziel: In ein Lager entkommen, wo auch andere Menschen sich verstecken.


Ich muss sagen, was mich eigentlich erst gar nicht so sehr angesprochen hat, hat sich schnell zu einem Buch entwickelt, das mich nicht mehr losgelassen hat. Ich habe die ersten Seiten im Zug gelesen, und kam nicht umhin, alle paar Seiten das Buch zuzuklappen und erstmal durchzuatmen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das Buch derart grausam, explizit und brutal sein würde, nicht von dem ersten Moment an. Aber genau das sollte man erwarten: Das Buch ist keine dieser Dystopien, in denen wir böse Präsidenten und heiße Kerle vorfinden, sondern wir finden uns in einer Welt wieder, die aus deinen schlimmsten Alpträumen gemacht ist. Kennt ihr diese Träume, in denen ihr eure Augen nicht öffnen könnt, aber ihr merkt, dass etwas um euch passiert, dass da etwas ist, und das ihr eure Auf aufmachen müsst, aber einfach nicht könnt? In so einer Welt befinden wir uns. In einer Welt, in der das Sehen zu gefährlich geworden ist, einer Welt, in der Menschen durch das bloße Sehen ihr Leben riskieren. Wir leben in einer Welt, in der die Menschlichkeit aus den Augen verschwunden ist, weil wir nicht mehr sehen, nicht uns und nicht andere, in der Überleben großgeschrieben wird, aber in der das schlimmste wohl die Unwissenheit ist. Wir wissen nicht, was passiert, wer diese Dinge tut, warum er sie tut, wie er sie tut. Wir wissen nicht, warum die Erde zu einem riesigen Leichengraben wurden, Gräber, die niemand sieht, weil seine Lieder hinter Augenbinden verborgen sind. 


Und damit spielt das Buch, und wie es damit spielt. Du bist völlig unwissend, wandelst mit offenen Augen durch das Buch, aber siehst trotzdem nicht mehr, als die Protagonisten. Du bist in einer schwarzen Welt, kennst nur das innere eines bestimmten Hauses, und hast keine Ahnung, wie die Welt aussieht, wie sie funktioniert. Du beginnst zusammen mit der Protagonistin auf dem Nullpunkt, bis ahnungslos, weißt nur eins: Schreckliche Dinge sind passiert. Und werden passieren, wenn du deine Augen öffnest. Oder die Tür offen lässt. Oder das Fenster nicht verdunkelst. Das Buch hat ich teilweise paranoid gemacht, wann immer in dem Buch etwas passiert, bin ich panisch geworden und musste wie gebannt weiterlesen. Wann immer ein neuer Hinweis auftauchte, habe ich neue Theorien aufgestellt, überlegt, was los sein könnte, nur um wieder überrascht zu werden. Der Autor spielt ein Katz und Maus spielt mit uns, in dem wir die Maus mit verbundenen Augen sind, die nicht wissen, wonach sie eigentlich suchen müssen, und Malerman sitzt als Mensch darüber und freut sich. Denn du fokussierst dich durchgängig auf diese Frage: Was ist hier passiert, das alles so wurde?


Doch was ist so? Das müsst ihr selbst herausfinden, aber ich kann euch sagen, dass es nichts für Leute mit schwachen Magen oder sensible Leser ist. Denn wo Horror draufsteht, ist auch Horror drin. Der Autor schreckt nicht zurück, bildlich zu beschreiben, wie sich Menschen selbst oder Gegenseitig das Leben nehmen, schreckt nicht zurück, detailliert und blutig und brutal davon zu berichten. Unmenschlichkeit und Grausamkeit schlummert in seinen Buchstaben und die Sätze veranstalten kleine Massaker in einigen Passagen. Aber genau dieses schonungslose, dieses grausame, machte dieses Buch so gut. Dadurch, dass man andauernd dazu angehalten war, das Buch zu hinterfragen. Darüber nachzudenken, wie man selbst gehandelt hätte. Was aus einem selbst geworden wäre. Denn das Buch schreckt nicht davor zurück, der Menschheit den Spiegel vorzuhalten, und viele aktuelle Probleme anzusprechen. Aber es zeigt auch Bilder, wie wir sie sehen könnten, sollte die moderne Welt untergehen. Und die Frage: Ist es gerechtfertigt, durch das, was wir dann erlebt haben, oder ist es immer noch moralisch falsch?

Und obwohl ich das Buch in diesem Sinne wirklich gut fand, psychologisch gut konzipiert, ein grandioses Kammerspiel mit Tiefe, muss ich sagen, dass mich einige Dinge doch gestört haben, so sehr, dass es mir am Ende richtig den Spaß am Buch genommen hat. Und das finde ich richtig schade.  


AB HIER GIBT ES LEICHTE SPOILER; NICHTS GRAVIERENDES, DENNOCH KLEINE WARNUNG!!!!

Zuerst einmal bin ich Malorie nicht warm geworden. Nicht, weil sie so kalt und hart zu ihren Kindern war, oder Erziehungsmethoden bedient hat, die mehr als fraglich sind. Nein, all das fand ich gut, es war kontrovers, es war moralisch irgendwo sogar nicht vertretbar, aber es hat einen zum nachdenken gebracht. Ist sie eine gute Mutter oder nicht? Kann man das in so einer Welt überhaupt noch sein? Viele Dinge, die sie getan hat, waren einfach nur schrecklich menschlich, und das denke ich sollten wir irgendwo bedenken, wenn wir über sie urteilen. Dennoch war sie mir irgendwo zu weit weg. Manchmal hatte ich Momente, wo ich dachte, ich könne sie greifen, nur damit sie mir wieder aus den Fingern gleitet. Sie war mir einfach zu hölzern und hat den Anschluss verpasst, eine eigene Persönlichkeit zu bekommen. 

Auch war das Buch in zwei verschiedenen Erzählsträngen erzählt, und schnell fand ich den, der von ihrer Vergangenheit in Toms Haus berichtet wesentlich spannender. Er hat mir einfach mehr Erkenntnis gegeben, es ist mehr passiert, und man klebte wirklich an den Seiten, so viele furchtbare und dennoch spannende Dinge passiert. Hier haben wir eine breite Palette an menschlichen Bildern bekommen, wie eine Apokalypse sie malen könnte, von Abgründe bis hin zu alles überlebenden Güte. Von gebrochenen Menschen und wieder zusammengeflickten, von Monstern und Engeln. Ich fand das Bild der Gemeinschaft sehr realistisch und muss sagen, dass sie mir alle sehr ans Herz gewachsen sind. Dadurch war aber eben auch der andere Erzählstrang leider sehr sehr langweilig und ich fand die Kapitel dort auch eher langatmig und öde. Dennoch stimme ich dem zu, man hat sie irgendwo auch gebracht.

ABER was mich nun am meisten gestört hat war: Es gab keine Auflösung! Dies ist ein absolut persönlicher Kritikpunkt, jemand anderes kann genau das genial finden, ich fand es furchtbar und ein doofes Ende. Wir bekommen keine Erklärung am Ende, wir bekommen keine Auskunft darüber, wovor wir denn nun die ganze Zeit weggelaufen sind. Wir wissen nicht, warum das alles passiert ist, wie es passiert ist. Wir bekommen keine Theorie bestätigt oder eine komplett neue Erklärung. Nichts. Niente. Das Buch weigert sich, uns eine Auflösung zu geben, obwohl dies vor allem zum Ende hin der Hauptgrund war, warum ich das Buch so schnell zu Ende lesen wollte. Das fand ich wirklich schade. Ich hatte fest mit einer Erklärung gerechnet, und für mich wirkte es, als hätte der Autor nun zum Ende einfach keine Lust mehr gehabt und ein mittelmäßig logisches und langweiliges Happy End hingeklatscht, um fertig zu werden. Die letzten 30 Seiten waren dadurch einfach so unspektakulär, alles fügte sich zu schnell und zu positiv, und das, wofür ich wirklich so lange gelesen hatte, wurde einfach rausgestrichen, als wäre es ein Nebenplot, den man nicht zu Ende führen muss. Obwohl es mal die Hauptgeschichte war. Sorry, aber das fand ich wirklich schade, und war darüber echt ärgerlich. 

 
Ich mag Horrorfilme und mag sie gleichzeitig nicht. Ich mag es, wenn sie psychologisch tiefgründige und gut konzipierte Storys erzählen, die deine schlimmsten Albträume porträtieren und auch lange, nachdem der Bildschirm schwarz geworden ist noch in deinen Kopf einen kleinen Rest Grusel hinterlassen. Ich mag es, wenn sie sich Charaktere ausdenken, die moralisch falsch handeln bzw. einfach ganz anders und fragwürdig handeln, aber über deren Art und Weise man diskutieren kann. Ich mag es, wenn sie mit simplen Tricks ein erschreckend realistisches Szenario zusammenbauen, und gleichzeitig Puzzleteile weglassen, sodass man im Dunkeln lange nach einer Erklärung sucht, die eine Taschenlampe sein kann. Was diese Aspekte angeht, ist Bird Box ein guter Horrorfilm, der alle diese Dinge hervorragend in schriftlicher Form umsetzt, eine gute Story hat, und eine Atmosphäre, die dich wirklich Angst haben lässt. Was ich nicht an Horrorfilmen mag, sind unlogische bzw. zu offene oder unpassende Enden, eindimensionale Charaktere und langatmige Stellen. Doch auch von diesen Dingen ist Bird Box in meinen Augen leider nicht komplett frei. Was sehr schade ist, da dieses Buch wirklich als Bestseller begonnen hat, für mich im Endeffekt aber nur durchschnittlich ist und aus dem man hätte mehr rausholen können, vor allem am Ende. Schade, dafür vergebe ich 3 Sterne.
 

 

1 Kommentar:

  1. Ich hab Bird Box ja unheimlich gerne gelesen, ich fand es genial und mochte einfach alles daran, war allerdings auch mein erstes Horrorbuch. Da bin ich dann auch leichter zu beeindrucken. :D
    Schade, dass es dich nicht ganz so sehr vom Hocker reißen konnte wie mich, aber schön, dass du trotzdem ein paar gute Ansätze darinnen finden konntest. Auch wenn es wahrscheinlich umso enttäuschender ist, dass diese sich dann nicht nach deinem Geschmack entwickelt haben. :)

    Liebe Grüße
    Svenja

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