Freitag, 28. Juli 2017

|Rezension| "City of Saints and Thieves" von Natalie C. Anderson

City of Saints of Thieves | Natalie C. Anderson | G. P. Putnam's Sons Books for Young Readers | Englisch | Taschenbuch | ca. 10€ | Kaufen?
  
In the shadows of Sangui City, there lives a girl who doesn't exist. After fleeing the Congo as refugees, Tina and her mother arrived in Kenya looking for the chance to build a new life and home. Her mother quickly found work as a maid for a prominent family, headed by Roland Greyhill, one of the city’s most respected business leaders. But Tina soon learns that the Greyhill fortune was made from a life of corruption and crime. So when her mother is found shot to death in Mr. Greyhill's personal study, she knows exactly who’s behind it.

With revenge always on her mind, Tina spends the next four years surviving on the streets alone, working as a master thief for the Goondas, Sangui City’s local gang. It’s a job for the Goondas that finally brings Tina back to the Greyhill estate, giving her the chance for vengeance she’s been waiting for. But as soon as she steps inside the lavish home, she’s overtaken by the pain of old wounds and the pull of past friendships, setting into motion a dangerous cascade of events that could, at any moment, cost Tina her life. But finally uncovering the incredible truth about who killed her mother—and why—keeps her holding on in this fast-paced nail-biting thriller.

 
Das Lied hat so gut zu diesem Buch gepasst, zu seinem aufregenden und nervenzerreißenden Charakter und Sias Stimme ist einfach großartig!

 
Seitdem ich in diesem Jahr begonnen habe, vermehrt darauf zu achten, diverse Bücher zu lesen, fällt mir mit jedem weiteren Buch, welches Diversität groß schreibt, auf, wie sehr Vielfältigkeit eine Story aufwerten kann. So klang der Klappentext von City of Saints and Thieves, wenn man nur auf die Story schaut, gar nicht so weltbewegend, eben ein Murder Mystery, welches von einer Teenagerin gelöst werden sollte. Nichts, was das Buch unbedingt zu einem Auto-Buy-Kauf gemacht hätte. Aber die Prämisse, dass das Buch in Kenia spielen sollte, sich mit der Korruption und dem Krieg in Kongo auseinandersetzt und außerdem die Mechanismen von Rassismus und Privileg ergründet, hat das Buch für mich zu einem absoluten Wunschbuch gemacht. 


In dem Buch geht es also, wie gesagt, um die sechzehnjährige Tina, Flüchtling aus dem Kongo, welche in jungen Jahren ihre Mutter durch einen Mord verlor und seitdem in einer Straßengang sich zuhause fühlt und angetrieben von dem Wunsch, den Mord ihrer Mutter aufzuklären, aufs Ganze geht...


Das Erste, was ich an diesem Buch großartig fand, war das Setting. Afrika ist ein Kontinent, welchen ich in seiner Vielfältigkeit und Weite unheimlich faszinierend finde, wobei besonders die Ecken Tansania, Kenia, Kongo und Südafrika, Simbabwe, Namibia, Sambia interessieren. In erstere spielt dieser Roman, um genau zu sein in der kenianischen Stadt Sangui, welche die Autorin zwischen den Zeilen des Buches hat lebendig werden lassen. Die Straßen und Gassen und Märkte von Sangui wurden mit Buchstaben und Satzzeichen vor meinen inneren Auge gezeichnet und diese ganz besondere Atmosphäre, die diese Stadt der Gangs und Klassenunterschiede und trotzdem subtiler Schönheit ausmacht. Dazu kommen die viele ausdrucksstarken Beschreibungen von Kenias, Kongo und Tansanias atemberaubender Landschaften, die, obwohl sie gar nicht vorrangig zur Geschichte gehörten, mein Fernweh geweckt haben. Gleichzeitig habe ich durch die ausführliche Einbeziehungen von kulturellen Eigenheiten und geschichtlichen Sequenzen das eine oder andere über Kenia und vor allem Kongo gelernt und bin so froh, dass es nun endlich auch Jugendbücher gibt, die Einblick in andere Kulturen als die europäische und amerikanische geben.


Aber auch die Story an sich hat absolutes Suchtpotenzial. Ich bin unglaublich schnell durch die Seiten geflogen und auch, wenn der große Plottwist an sich für mich nicht komplett überraschend kam, habe ich dennoch ununterbrochen mit den Charakteren und der Geschichte mitgefiebert. Gerade die kleine Schnitzeljagd durch Ost/Zentralafrika, die vielen kleinen Rätsel und Spuren, die es zu verfolgen galt und das Gefühl, beim Lesen des Buches ein Puzzle zusammenzusetzen und mit jedem Kapitel ein kleines Teilchen mehr zu finden, haben mir viel Spaß bereitet und mich förmlich an den Seiten kleben lassen. Besonders die Sequenzen, in denen es um die Korruption und den Krieg in Kongo ging, fand ich sehr eindrucksvoll und besonders emotional. Hier wird sehr gut deutlich, wie gut die Autorin für diesen Roman recherchiert hat, und viele zum Nachdenken anregende und brandaktuelle Verknüpfungen, wie beispielsweise Flüchtlingspolitik in Kenia, die Haltung der UN zu den Problemen in Zentralafrika oder Blutgold, haben der Story eine unglaublich wichtige Brücke zur Realität schlagen lassen, denn auch, wenn die Story fiktiv ist, so sind viele Elemente, von denen die Autorin schreibt, bittere Realität für viele tausend Menschen, die in Kongo, Kenia und so vielen anderen afrikanischen Ländern leben, die hier nicht aufgezählt wurden.


Ein weiterer Aspekt waren natürlich die Charaktere der Geschichte, welche gleichzeitig sich sehr positiv auf die Story ausgewirkt haben, aber gleichzeitig auch mein größter Kritikpunkt sind. Mit Tina, unserer Protagonistin, bin ich nicht so recht warm geworden, möchte aber hier gleich sagen, dass ich in absolut keiner Position bin, über eine Woman of Color, die durch Mechanismen des Sexismus und Rassismus zu einem Leben auf der Straße gezwungen wurde, zu urteilen, selbst, wenn es sich um ein fiktionales Beispiel handelt. Rein charakterlich betrachtet, habe ich ihren Mut und ihr Vertrauen in sich selbst sehr geschätzt und fand es beeindruckend, wie kritisch sie mit ihrer Umwelt ins Gericht gegangen ist. Ich mochte es, wie sie selbst ihre Determination ständig hinterfragt hat und niemand vertraut hat außer ihrem eigenen Verstand, und selbst diesem niemals zu hundert Prozent. Auch ihre Schwächen waren meiner Meinung nach gut ausgearbeitet, sodass man wirklich das Gefühl hatte, von einem tiefgründigen Charakter zu lesen und keiner eindimensionalen Marionette. Diese These wird gerade durch die wunderbare Entwicklung, die Tina in dem Buch durchmacht, noch verstärkt. Leider hat es mich etwas genervt, wie Tina gerade gegen Ende sehr oft in einige typische YA tropes fiel und sich zu viel auf ihr Love Interest bezog.

Michael fand ich etwas blass gezeichnet und recht undurchschaubar, was natürlich ein Plotmittel hätte sein können, mir aber persönlich doch eher dafür gesorgt hat, dass Michael das ganze Buch über nicht wirklich tiefgründig werden kann. Wen ich hingegen unglaublich mochte, war Boyboy, Tinas besten Freund und Computerspezialist, der mit seinem extravaganten, überspitzt aber unheimlich liebenswürdigen Charakter diejenige Person war, die dem Buch die richtige Prise Humor und Wärme gegeben hat. Auch einzelne Nebenfiguren wie Mr. Greyhill, Kiki und Bug Eye fand ich unheimlich faszinierend, allesamt blieben mir aber etwas zu flach. Es wirkt, als hätte die Autorin viel Komplexität in ihre Geschichte stecken wollen, in die Storyline und das Setting, aber dabei ihre Charaktere ein bisschen zu kurz kommen lassen.


Das Buch endet mit einem recht zufriedenstellenden Ende, welches die Geschehnisse allerdings fast schon zu überschwänglich glücklich abschließt und ich persönlich hätte es für realistischer gehalten, wenn die Autorin noch einmal auf den einen oder anderen Konflikt eingegangen wäre, um die Endsituation weniger glimpflich darzustellen, denn auch, wenn die fiktionalen Geschichte an sich zue Ende ist, beschäftigt sich das Buch schließlich auch mit einem realen Problem in Kongo und ich hätte es wichtig gefunden, auf die immer noch anhaltende Dringlichkeit des Konfliktmanagement in diesen und anderen Fällen noch einmal hinzuweisen, auch, wenn es an sich über die Aufgabe eines Jugendbuches hinauszugehen scheint. An der Stelle auch einmal Trigger Warning für Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Rassismus, ausfällige Sprache.

Insgesamt kann ich euch City of Saints and Thieves von Natalie C. Anderson nur ans Herz legen, auch, wenn ihr vielleicht nicht unbedingt der größte Fan von Murder Mystery Büchern seid. Aber die Art und Weise, wie Anderson es schafft, eine rasante, spannende und fast paced Geschichte, welche an ein riesiges Puzzle, welches es zu lösen gilt, erinnert, mit den aktuellen Geschehnissen in Zentralafrika und unglaublich relevanten Themen wie Flüchtlingspolitik, fehlendes Engagement durch die UN und Korruption durch regionale und internationale Machtfiguren, zu verbinden, ist einfach einzigartig. Als Leser hat man das Gefühl, nicht nur einen spannenden Krimi in einem diversen Setting mit diversen Charakteren zu erleben, sondern nebenbei auch noch viel über einen Kulturkreis und eine Geschichte zu lernen, über die wir leider sehr wenig wissen. Einzige Kritikpunkte meinerseits wären die teilweise doch recht blassen Charaktere, sowie das meiner Meinung nach unrealistische Ende, bei welchem die Autorin gerne noch einmal betonen hätte können, dass, auch wenn die Story an sich fiktional ist, es die Situation in Zentralafrika nicht ist. Trotzdem möchte ich euch dieses Buch mit all seiner Diversity empfehlen und vergebe 4 von 5 Sternen.

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