Montag, 22. August 2016

|Rezension| "The Passion of Dolssa" von Julie Berry

The Passion of Dolssa | Julie Berry | Viking Books | Englisch | Paperback | ca. 10€ | Kaufen?
 
Dolssa is a young gentlewoman with uncanny gifts, on the run from an obsessed friar determined to burn her as a heretic for the passion she refuses to tame.

Botille is a wily and charismatic peasant, a matchmaker running a tavern with her two sisters in a tiny seaside town.

The year is 1241; the place, Provensa, what we now call Provence, France—a land still reeling from the bloody crusades waged there by the Catholic Church and its northern French armies.

When the matchmaker finds the mystic near death by a riverside, Botille takes Dolssa in and discovers the girl’s extraordinary healing power. But as the vengeful Friar Lucien hunts down his heretic, the two girls find themselves putting an entire village at the mercy of murderers.

 
Auch, wenn das Lied vielleicht nicht die allerbeste Wahl war, so hat es sich doch im Endeffekt ziemlich gut an das Buch geschmiegt, und es wunderbar warm ausgemalt...

 
Wisst ihr, was ich an Geschichte so interessant finde? Nicht nur den Fakt, darüber zu lernen, was Menschen fünfzig, hundert, tausend Jahre vor mir getan und gedacht und geglaubt haben, nicht nur die Tatsache, dass es uns ermöglicht, zu begreifen, wie wir zu dem gekommen sind, was wir heute als unser Zeitalter bezeichnen. Und auch nicht nur der Lehren, die wir aus ihr ziehen können, geschuldet, finde ich Geschichte faszinierend. Mich fasziniert die Vielfalt an Meinung, mich ärgert, dass wir zwar so viele Quellen haben, aber uns nie sicher sein können, ob sie wirklich ehrlich und richtig ist. Mich fasziniert die Vielfalt an Möglichkeiten, etwas zu interpretieren. Aber am meisten fasziniert es mich, wie manche Ereignisse, Meinungen und Echos der Vergangenheit bis heute nachhallen, (leider) immer noch aktuell sind oder uns dennoch genug faszinieren können, dass sie es werden. Und das alles unter dem Aspekt, das wir selber für uns herausfinden müssen, was wir glauben wollen, was wir wie interpretieren wollen. Und unter diesem Aspekt können wir die faszinierendsten Geschichten freilegen. Wie zum Beispiel eine Geschichte, wie sie in The Passion Of Dolssa erzählt wird.


In dem Buch geht es um einen Historiker Ende des 13 Jahrhunderts in Frankreich, der ein Buch schreibt über ein sehr spezielles Testament, welches er gefunden hat. Aufzeichnungen, Mitschriften und Gedanken, erzählend von einer grausamen Zeit und einem kleinen Dorf an der Küste Frankreichs. Vor allem aber berichtet es von zwei Mädchen, und ihrer Geschichte.


Was erstmal etwas gewöhnungsbedürftig, wenn nicht sogar wirklich seltsam klingt, hat mich von der ersten Seite an unglaublich gefesselt. Mag sein, dass ich noch nicht zu sehr in das Historical Fiction Genre eingebunden bin, aber ich habe etwas vergleichbares noch nicht gelesen. Etwas über eine Zeit, in der in Europa das tiefste Mittelalter herrschte, Glaubenskriege das Festland erschütterten und die Frage nach Glaube alles bestimmte, eine Zeit in der die Kirche Europa zu einem Schlachtfeld machte, und all das unter den Namen Gottes setzte. Wer wie ich nur Geschichte aus dem Geschichtsunterricht kennt, wird merken, dass hier vieles viel zu unzureichend behandelt wird. Aber genau das hat für mich die Idee und Aufmachung noch spannender gemacht. Meiner Meinung nach hat die Autorin grandiose Recherchearbeit geleitstet, und es geschafft, den Leser diese doch eher wenig bekannte Zeit näher zu bringen.


Das Setting und das gesamte Ambiente waren so atmosphärisch dicht und, meiner Meinung nach, faktisch korrekt ausgearbeitet, dass es wirkte, als wäre die Autorin selbst in dieser Zeit auf der Erde gewandelt und habe ihr Eindrücke festgehalten. Zwischen den bedruckten Seiten des Buches findet man sich auf einmal im Frankreich des 13 Jahrhunderts wieder, mit all seinen Tücken und Elend und Schönheiten. Man wandelt durch ein Land in einer Zeit, die die wenigsten gut kennen, und merkt einfach, was für eine schöne Abwechslung es ist, in dieser Welt zu wandeln. Denn im Gegensatz zu bekannten Settings wie Amerika oder London habe ich mich hier zwischen wunderschönen Beschreibungen und einer Atmosphäre, die einen förmlich den Sommer und den Staub der Straßen spüren lässt,  gefühlt, als würde ich meinen Horizont erweitern. Berry hat wirklich eine grandiose Arbeit geleistet, diese Komplexe Zeit runterzubrechen, und sie mit viel Atmosphäre an den Leser zu übermitteln, sodass dieser gar nicht anders kann, als fasziniert zu sein.


Dadurch ist es auch nicht schlimm, dass die Story manchmal etwas ruhig und langsam erzählt wird, so gibt es genug zu erkunden, was rechts und links vom Wege liegt. Trotzdem ist die Story nicht zu vergessen, ist sie doch genauso interessant und gut ausgearbeitet wie das Setting selbst. Mehrstränging erzählt setzt sich nach und nach eine Bild zusammen, dass, so vielfältig es auch sein mag, auf ein Ende hinweist. Es macht Spaß, verschiedene Charaktere zu hören und aufgrund ihrer Vorstellungen und Ideen ein immer komplexeres Bild der Zeit zu bekommen und verschiedene Themen entdecken zu können. So haben wir viele wichtige Gedanken über Glaube, Gott und die Kirche, kritische und vielfältige Perspektiven, die von dieser verzwickten Zeit berichten. Dazu kommen viele Anekdoten über die Wichtigkeit von Freundschaft und Familie, zwischenmenschliche Beziehungen und der Glaube an sich selbst. Das alles zusammen verbunden ergab eine vielfältige, zwar langsam erzählte, aber nicht minder spannende Story.


Diese wurde vor allem aber durch die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeiteten Charaktere gestützt und geformt. Allesamt hatte sie ihre eigenen Stärken und Schwächen, und sie mit all ihren Ecken und Kanten durch die Geschichte gestolpert. Sie alle hatten  ihre kleinen Eigenarten, aber je mehr man sie kennenlernen durfte, desto echter und liebenswürdiger wirkten sie alle. Es gab keinen einzigen Charaktere, der mir zu blass geworden ist, im Gegenteil: Ich war manchmal sehr dankbar, dass die Storyline uns etwas Pause gönnte, um die Nebencharaktere noch etwas besser kennenzulernen. Denn sie allesamt sind so komplex und miteinander verwoben, dass man bis zum Schluss damit beschäftigt ist, ihre Teile zusammenzupuzzeln, und trotzdem noch das Gefühl hat, irgendwo auf den Weg etwas kleines nicht beachtet zu haben, sodass man eigentlich gleich nochmal von vorne anfangen möchte. Dies trifft vor allem auch auf die Zwischenmenschlichen Beziehungen zu, die allesamt so komplex, detailreich und einfach echt präsentiert wurden. Die Charaktere sind zusammen gewachsen, haben angeeckt und Beziehungen geformt, sind zusammen Entwicklungen durchgegangen und haben sich gegenseitig neu definiert. Besonders die Beziehung zwischen den drei Schwestern fand ich sehr gelungen, sowieso waren Sazia, Botille und Plaszi meine liebsten Charaktere des Buches.


Sazia, als vorlaute kleine Wahrsagerin, Botille als gewitzte Kupplerin und Plaszi als herumkommandiere Schönheit, drei Schwestern, die zusammen mit ihrem immer betrunkenen Vater eine kleine Kneipe betreiben. Sie alle gehörten einfach zusammen und die Zeit, die der Leser mit ihnen verbringt, wächst einen so ans Herz, das man sich fühlt, als wäre man in der Kneipe der Schwester zuhause. Dazu kommt das Dorf, das zwar in gewissem Maße ein mittelalterliches Dorf ist mit all seinen eingeengten Meinung und Aberglaube, aber einen trotzdem ans Herz wächst. Und so fühlt man sich bald heimisch zwischen jungen Ehepaaren, deren Kind nicht essen möchte, unmoralischen Priestern und sich dauernd beschwerenden Brüdern, die ein Weingut ihrer Tante leiten.


Das Ende des Buches hat es nochmal an sich, und hat mich persönlich nochmal richtig aus den Socken gehauen. Ich hatte nicht erwartet, ein derart überraschendes und klischeefreies Ende zu bekommen, das traurig-realistisch und anders zugleich ist, den Leser nachdenklich und mit gebrochenen Herzen zurücklässt, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. Besonders das Nachwort des Priesters und der Autorin haben mich berührt, und die Story für mich ideal abgerundet, sodass ich das Buch einerseits mit Begeisterung beenden konnte, es mich auf der anderen Seite aber immer noch nicht losgelassen hat. 
Und vielleicht ist das ein Anzeichen dafür, dass The Passion Of Dolssa mich wirklich erreicht hat, nicht nur als historischer Roman, sondern auch als Geschichte. Eine Geschichte, das mich mit seiner neuen Idee, mich in eine Zeit zu entführen, in der Glaubenskriege den Alltag zeichnen und über die ich noch nicht allzu viel wusste, fasziniert hat, die mich mit einer vielfältigen Story wie in einem Spinnennetz hat immer weiterlesen lassen, die mir ein kleines Stück zuhause in dem Küstendorf Bajas hat finden lassen und Familie in den echten, detailverliebten und sehr sympathischen Charakteren, die einen ans Herz wachsen. Aber vor allem auch eine Geschichte, die lange nachhallt, dich dazu bringt, zu hinterfragen, zu recherchieren, zu interpretieren und dich am Ende zu fragen: Was davon möchte ich glauben? Aber im Endeffekt ist genau das die Sache, die Geschichte für mich ausmacht. Deswegen vergebe ich begeisterte 5 Sterne an The Passion of Dolssa.
 

 

1 Kommentar:

  1. Kücki, das ist eine ganz tolle Rezension und du hast mir das Buch grade richtig schmackhaft gemacht. Ich habe in letzter Zeit Gefallen an historischen Romanen gefunden und das hier klingt doch super. *___* Frankreich geht für mich ja immer. Wenn du einen anderen historischen Roman versuchen magst, kann ich dir Amy Snow oder Jane Austens Geheimnis (der ist allerdings nur teilweise historisch) empfehlen.

    Liebst,
    Jule♥

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