Hey ihr Lieben, heute gibt es mal wieder einen kleinen Gedankenpost für euch, in denen ich einfach mal niederschreibe, was mir in letzter Zeit ein bisschen durch den Kopf gegangen ist. Momentan blogge ich ja eher weniger, was vor allem an Zeitmangel liegt, was aber nicht heißt, dass ich in meiner Freizeit nicht trotzdem lese. Dadurch, dass mein Kindle gerade die beinah einzige Möglichkeit zum Lesen ist und ich nicht wahnsinnig viel Geld für neue eBooks ausgeben kann, führt das dazu, das ich viele Werke, welche ich vor einigen Jahren schon einmal gelesen habe, erneut lese. Ich rereade, versuche, die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, werde erneut fasziniert und gefesselt, bin verwundert dass ich diese Geschichte wirklich gut fand, entdecke neue Einzelheiten. Kurzum: Ich entdecke das Buch auf eine ganz neue Art und Weise und reflektiere es in einem neuem Kontext. Etwas, was für mich persönlich unglaublich wichtig für meine Entwicklung als Leser ist. Und sich dabei nicht nur auf diesen Bereich beschränkt.
Bis vor einigen Monaten hätte ich gesagt, dass ich vor allem aus einem Grund rereade: Zur Unterhaltung. Um eine schon einmal geliebte Geschichte noch einmal zu erleben, wenn es sich um einen Reihenband handelt, dann möglicherweise sogar, um den Handlungsfaden wieder aufnehmen zu können, oder weil ich gerade Lust auf diese ganz bestimmte Lektüre habe. Das spiegelt sich auch in meiner Statistik wieder: In den letzten Jahren habe ich immer und immer wieder Bücher rereadet, die ich mit 4 oder 5 Sternen bewertet hatte oder deren Handlung mich in einer besonderen Art und Weise beeindruckt hat. All dies macht natürlich Sinn, denn gerade als Vielleser, dem es wahrscheinlich öfter mal auf den Kopf fällt, dass man wahrscheinlich nie alle Bücher werde lese können, die man gerne lesen würde, sich zu entscheiden, ein bereits gelesenes Buch noch einmal zu lesen und damit einem noch unbekannten Werk die Zeit zu stehlen, bringt nur den logischen Schluss, dass es sich um ein gutes Buch handeln muss. Ein Buch, bei dem emotionales Investment, sympathische Charaktere oder ein originelles World Building garantiert ist und bei dem man sich der erfolgreichen Unterhaltung sicher sein kann. Logisch, dass man eben diese wertvolle Lesezeit nicht erneut an ein Buch geben würde, welches einem beim ersten Versuch aus welchen Gründen auch immer nicht gefallen hat.
Nun aber habe ich auf meinem Kindle nicht nur Lieblingsbücher oder Geschichten, welche ich überdurchschnittlich gut bewertet hatte, sondern auch Geschichten, welche ich nur mittelmäßig fand oder von denen ich wusste, dass sie meinem jetzigen Leser-Ich nicht mehr gefallen würden. In Anbetracht der Tatsache, dass ich aber keinem anderen Buch den Vortritt geben können, aus Mangel an literarischen Werken, die ich als eBook besitze, habe ich früher oder später versucht, eben diese Bücher zu rereaden, nicht um der Unterhaltungswillen, sondern um nun zu reflektieren, was mir an der Geschichte nicht gefallen hat, ob es Momente gab, wo ich die Handlung anders konzipiert hätte oder ob mir Charaktereigenschaften der Protagonisten auffallen, die mir vorher nicht präsent waren. In diesen Fällen ist mir aufgefallen, dass ich besagte Bücher nach dem rereaden in zwei Kategorien aufteilen konnte: Bücher, bei denen ich nun tiefgründiger und sachlicher erklären konnte, warum sie mir persönlich nicht gefallen haben und die mir beim Lesen aufgezeigt haben, wonach ich in Büchern suche bzw. nicht suche. Und Bücher, die mir auf einmal viel besser gefallen haben, weil sich durch die Jahre mein Blickwinkel auf vieles verändert hat, so auch auf die Aspekte, die mich wohl beim ersten Lesen gestört hatten.
Daraufhin fing ich an, nach Büchern zu schauen, wo mir bestimmte Aspekte nicht gefallen haben oder ich dem Buch nichts abgewinnen konnte, ohne dieses wirklich als schlecht anzusehen. Diese typischen 3 Sterne Bücher eben, die man liest und zu denen einen meistens nur ein Okay einfällt. Bücher, wo einen das Ende nicht gefällt (z.B. "Ruin and Rising" by Leigh Bardugo), einem das Buch nicht richtig abholen konnte (z.B. "Daughter of Smoke and Bone" by Laini Taylor) oder man die Charaktere unsympathisch fand (z.B. "A Girl of Fire and Thorns" by Rae Carson). Genau diese Werke erneut zu lesen, um zu sehen, warum genau es mit uns nicht so richtig gefunkt hat und in ebendiesem Prozess noch weitere Dinge aus der Geschichte mitzunehmen, hat mir wahrlich eine neue Perspektive des Lesens eröffnet. Auf einmal fand ich das Ende von Ruin and Rising persönlich immer noch recht frustrierend, konnte es aber zeitgleich auch sehr gut nachvollziehen und deutlich besser, als beim ersten Lesen. Daughter of Smoke and Bone habe ich aufgrund meiner nun viel besseren Englischkenntnisse oder meinem Verständnis für die Story als großes Ganzes plus meiner eigenen Faszination für Prag auf einmal mit einer Begeisterung gelesen, die ich sonst nur für die bisherigen Teile der Reihe hatte. Und auch die Charaktere aus "A Girl of Fire and Throns" haben bei genauerer Betrachtung mein Herz erobern können und mich so manches Mal wirklich berühren können, nun, da ich sie aus einem deutlich toleranteren und anderen Blickwinkel sah.
Dazu kommt, dass mir beim Rereaden dieser Bücher einige Dinge aufgefallen sind, die mir deutlich bewusst gemacht haben, dass ich mich auch persönlich als Leser weiterentwickelt habe. Auf einmal war mir die Dreiecksliebesgeschichte und deren Ausgang recht egal, stattdessen habe ich mir viel mehr Notizen gemacht dazu, wie sexistisch und entitled sich beide (männliche) Parteien des Dreiecks verhalten. Und fand es auf einmal gar nicht mehr wichtig, welcher Kerl am Ende das Rennen macht, solange es in einer gesunden Beziehung endet, für die sich die Protagonistin frei entschieden hat. In anderen Fällen war es mir egal, ob ich die Charaktere unheimlich sympathisch fand, sondern fand es einfach nur bereichernd, wenn sie eben real und greifbar und vielfältig waren.
Ich schreibe all dies nicht, weil ich mich hochloben möchte, nun im Handumdrehen ein unheimlich kritischer und reflektierter Leser geworden zu sein, der weiß, was er will und liest. Vielmehr möchte ich niederschreiben, wie wichtig es für meine Entwicklung als Leser war, dieses intensive ReReaden zu praktizieren. Denn durch die vielen Geschichten, die ich nun zum zweiten oder dritten Mal gelesen habe, ist mir wieder deutlicher klar geworden, wonach ich in Büchern suche, wie das zu mir als Person passt und was für Auswirkung das auf meine Wahl der Bücher oder deren Bewertung hat. Im Gegensatz von vor noch ein paar Jahren setze ich nun andere Priorität beim Lesen, etwas, was für mich persönlich aufzeigt, dass ich mich als Leser weiterentwickle und genau wie in anderen Aspekten meines Lebens nach wieder anderen Dingen suche. Damit meine ich nicht, dass ich letztes oder vorletztes oder vorvorletzes Jahr nicht reflektiert oder "primitiv" gelesen habe, ganz und gar nicht. Nur anders. Und es gibt immer noch Dinge, die ich damals wie heute in Büchern gesucht und geliebt habe. Aber es sind einige Dinge, die für mich an Priorität verloren haben. Und andere Dinge, die mir wichtig geworden sind beim Lesen. Wichtige Erfahrungen, die mir persönlich ein bisschen die Richtung in der literarischen Welt weisen, die wir alle wissen, wie schwer es in dieser Masse an Literaturgütern sein kann, sich ohne Kompass zu bewegen. Gleichzeitig ein überraschende, wichtige Erfahrung, zu sehen, dass diese Erkenntnis nicht nur dadurch kam, neue Geschichten auszuprobieren, sondern auch dadurch, alte wieder auszukramen und mit klarem Geist zu reflektieren.
Alles schön und gut, doch was hat genau das mit Mindfulness zutun?
Mindfulness im Sinne des Buddhismus bezeichnet einen Zeitraum, in welchem man sich bewusst Zeit für sich selbst nimmt. In dem man Meditiert, Yoga praktiziert, gesund und bewusst kocht und isst und entweder auf Kommunikation mit der Außenwelt und anderen komplett verzichtet oder diese weitestgehend einschränkt. Es ist also eine weniger strenge Form der buddhistischen Vipassana. Was vielleicht erstmal etwas abstrakt klingt, soll der Lehre nach einen Raum kreieren, in welchem man ganz bei sich ist, einen Raum, in welchem man Zeit hat, zu reflektieren, nachzudenken und sich selbst zu erkennen.
Mich persönlich erinnert dieses Ritual an meinen eigenen Prozess des Rereadens. In dem ich auf Geschichte meines früheren Leserlebens zurückblicke, diese reflektiere, in einem anderen Blickwinkel setze und darüber nachdenken, was für eine Bedeutung sie hier und jetzt für mich als Leser habe, kann ich in Teilen versuchen zu sehen, was ich für mich Zukunft gerne hätte, woran ich arbeiten möchte oder wonach ich suchen möchte. Und ich glaube, genau das können wir auch mit den Geschichten schaffen, die nicht auf Papier geschrieben sind, sondern tief in unserem Kopf und Herz lagern und für die wir in unserem hektischen Alltag meistens keine Zeit haben. Ich bin der Meinung, dass, zumindest ganz persönlich, wichtig wäre, sich diese alten Geschichten und Erinnerungen anzusehen. Die schönen, die dich zum lachen und tanzen und jubeln gebracht haben. Die Erinnerungen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht wirklich viel Bedeutung haben, aber trotzdem noch seltsam präsent sind. Und auch die Erinnerungen, die uns vielleicht zum weinen, wütend sein oder Unwohlsein geführt haben (Natürlich nur, soweit ihr das könnt und wollt. Niemand muss sich mit schlechten Erinnerungen auseinandersetzen, wenn es für sein eigenes seelisch Wohl negativ ist und/oder er nicht bereit dafür ist. Nehmt euch Zeit. Ihr seid wertvoll no matter what). Um all diese Eindrücke und Ideen und Erfahrungen in einen neuen Kontext zu setzen, sie zu reflektieren und in einem neuen Blickwinkel zu sehen. Um vielleicht zu sehen, wie ihr euch verändert habt, was ihr gelernt habt, und vor allem, was ihr euch für eure Zukunft wünscht. Denn manchmal liegt der Schlüssel zu der Tür, die ihr schon lange öffnen wolltet, nicht im hier und jetzt, sondern im damals.
Was ich damit sagen möchte: Wir leben in einer Welt, in der wir viel über das Hier und Jetzt reden. Über das bald. Über das denn. Und das ist wichtig. Und wertvoll. Es erlaubt dir, im Moment präsent zu sein, zu leben, frei zu sein. In vollen Zügen den Tag zu genießen. Aber manchmal glaube ich, da brauchen wir alle einen Moment Ruhe, einen Moment Erinnerung, einen Moment Ruflektion. Einen Moment zu rereaden, einen Moment um Mindfulness zu praktizieren. Um zu wissen, wer wir waren. Wer wir sind. Und vielleicht auch, wer wir sein wollen.
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